Bundeskanzlerin agiert gegen bäuerliche Landwirtschaft

Merkel will weniger EU-Kürzungen bei Großbetrieben und kürzt ausgerechnet bei Agrarumwelt und ländlicher Entwicklung. In der Marktpolitik stärkt sie einseitig die Milchindustrie und schwächt die Bauern

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hält der Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, in der aktuellen Reform der EU-Agrarpolitik gezielt gegen die Interessen der bäuerlichen Landwirtschaft zu handeln und einseitig die Interessen von Großbetrieben und Agrarindustrie zu bedienen. „Frau Merkel hat schon im EU-Rat der Staats- und Regierungschefs zum Mehrjährigen Finanzrahmen der EU die Obergrenze für die EU-Zahlungen an Großbetriebe vom Tisch gefegt. Nun hatte sie ihre Bundesministerin Ilse Aigner angewiesen, im EU-Agrarministerrat der letzten beiden Tage auch eine EU-weit verbindliche nennenswerte Kürzung sehr hoher Zahlungen je Betrieb zu verhindern. Dem ist der Agrarministerrat in seinem Verhandlungsangebot von heute an das EU-Parlament gefolgt, indem die Beträge über 150.000 Euro je Betrieb und Jahr nur noch um 5 Prozent gekürzt werden sollen. Das ist eine Besserstellung der Großbetriebe zum status quo, denn heute werden diese hohen Beträge um 10 bis 14 Prozent gekürzt. Dieses Wahlgeschenk an die Großagrarier wird die Kanzlerin heute vor den Delegierten des Deutschen Bauernverbands ausbreiten – es kommt einem Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland zugute und schwächt die bäuerlichen Betriebe, denen die Zahlungen überproportional gekürzt werden“, kommentiert der Bundesvorsitzende der AbL, Bernd Voß. Er fordert Bund und Länder auf, die Möglichkeiten der nationalen Umsetzung der Reform zum Ausgleich dieser Benachteiligungen und zur Stärkung bäuerlicher Betriebe voll und ganz auszuschöpfen. Auch bezüglich der zweiten Säule der EU-Agrarpolitik wirft die AbL der Bundeskanzlerin ein Handeln zulasten bäuerlicher Landwirtschaft vor: „Kanzlerin Merkel hat in der mehrjährigen EU-Finanzplanung Kürzungen um 20 Prozent ausgerechnet in dem Förderbereich der Ländlichen Entwicklung ausgehandelt, aus dem etwa die Agrarumweltmaßnahmen, der Ausgleich für benachteiligte Gebiete oder Tierschutzmaßnahmen finanziert werden. Damit das in den nächsten Jahren nicht zu massiven Streichungen bei diesen Maßnahmen führt, müssen Bund und Länder sich nun schnell auf einen Ausgleich einigen. Dazu sollten oberhalb von Freibeträgen auch die Direktzahlungen herangezogen werden. Es ist bezeichnend, dass die Bundesregierung auch hier dem Deutschen Bauernverband folgt und das bisher kategorisch ablehnt“, erläutert der AbL-Vorsitzende. In der Marktpolitik stehe die Bundesregierung ebenfalls nicht auf Seite der bäuerlichen Betriebe, sondern auf Seiten der Industrie, so die AbL: „Die deutsche Regierung hat auf Brüsseler Ebene äußerst vehement gegen den Vorschlag des Europäischen Parlaments zur Vermeidung von Milchüberschüssen gestemmt. Das Parlament hatte vorgeschlagen, in Zeiten von Marktkrisen den Milchbauern einen Anreiz zu geben, kurzfristig und zeitlich begrenzt die Milcherzeugung etwa zu drosseln, damit das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage schneller wieder ins Lot kommt und existenzvernichtende Milchpreise vermieden werden. Die Bundesregierung lehnt das ab und folgt damit dem Drängen der exportorientierten Molkereien, die ihre Exportmärkte sichern wollen zulasten der Milchpreise, aus denen die Bauern ihre Kosten und ihre Arbeit bezahlen müssen. Die Folge wird sein, dass Überschüsse nicht vermieden, sondern wieder in staatliche Lagerhallen gestopft werden und die Krisenzeiten damit künstlich verlängern, statt vorausschauend zu verkürzen“, so Voß. Der AbL-Vorsitzende verweist darauf, dass die Verhandlungen insbesondere zur Milchpolitik nicht beendet sind. Im Herbst werden neue Vorschläge der EU-Kommission erwartet. Auf deutscher Ebene fordert die AbL alle Parteien auf, vor der Bundestagswahl zu sagen, wie sie die erheblichen nationalen Gestaltungsmöglichkeiten zur konkreten Umsetzung der EU-Agrarreform nutzen und ausfüllen wollen. „Wir fordern alle Parteien auf, nicht nur von bäuerlicher Landwirtschaft zu reden, sondern auch tatsächlich die zukunftsfähige bäuerliche Landwirtschaft zu stärken. Das erwarten die Bauern und Bäuerinnen und das erwartet die Gesellschaft. Insbesondere muss mit den vollen möglichen 30 Prozent der Gelder ein Zahlungsaufschlag für die ersten 20 Hektar je Betrieb finanziert werden. Diese Möglichkeit wollen alle EU-Institutionen den Mitgliedstaaten geben. Das wollen wir ausschöpfen“, fordert Voß. Kontakt für die Redaktionen: Bernd Voß, Tel.: 0173-9135092
26.06.2013
Von: Pressemitteilung