EU-Agrarpolitik: Reform muss nun konkret werden. Auch Berlin ist gefordert
Gemeinsame Presseinformation von EuroNatur und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)
Ein breites Bündnis von Verbänden aus den Bereichen Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft, Entwicklungspolitik sowie Tier- und Verbraucherschutz hat heute, zeitgleich mit einer Abstimmung im Europaparlament zur EU-Agrarpolitik, konkrete Vorschläge zur gerechteren und ökologischeren Neugestaltung der Agrarpolitik vorgestellt. Eine Kernforderung der 21 Verbände ist, dass die Direktzahlungen, die bisher den Großteil
der Gelder der EU-Agrarpolitik ausmachen, zukünftig an wirksame ökologische und soziale Kriterien gebunden werden, ohne damit Gelder der sogenannten zweiten Säule (Ländliche Entwicklung) zu beanspruchen. Darauf weisen die Koordinatoren der Verbände-Plattform, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und die EuroNatur Stiftung hin.
Als ökologische Mindestanforderungen sehen die Verbände unter anderem vor, dass die Betriebe eine Fruchtfolge einhalten, bei der eine Frucht wie beispielsweise Mais nicht mehr als die Hälfte der Ackerfläche einnimmt und zudem ein Mindestanteil an heimischen Eiweißpflanzen (Leguminosen) von 20 Prozent erreicht wird. Auf mindestens zehn Prozent der Betriebsfläche muss die Nutzung vorrangig im Sinne der Förderung der biologischen Vielfalt ausgerichtet werden. Außerdem sollen der Erhalt von Grünland und der Verzicht auf
den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zur Voraussetzung für Direktzahlungen werden.
Was die soziale Konditionierung der Zahlungen betrifft, unterstützen die Verbände den Vorschlag der EU-Kommission, Direktzahlungen nur noch bis zu einer Obergrenze auszuzahlen und dabei die Arbeitskräfte zu berücksichtigen. Als Obergrenze schlagen die Verbände 100.000 Euro pro Betrieb und Jahr vor, betroffene Betriebe sollen eine Kürzung durch Nachweis von sozialversichert entlohntem Arbeitsaufwand mindern bzw. kompensieren können.
Eine weitere Kernforderung der Verbände ist, dass die zukunftsweisenden zielgerichteten Maßnahmen der zweiten Säule der EU-Agrarpolitik, also der Politik zur Förderung der Ländlichen Entwicklung, finanziell und strukturell gestärkt werden. Insbesondere zählen die Verbände Agrarumweltmaßnahmen einschließlich der Förderung der ökologischen Landwirtschaft und Tierschutzmaßnahmen wie die Weidehaltung dazu. Neue Ställe sollen
nur noch unter strikten Auflagen förderfähig sein.
Die Verbände fordern von der EU-Agrarpolitik ferner, ihre internationale Verantwortung für die Bekämpfung des Hungerns, für das Recht auf Nahrung und für die Entwicklung einer eigenen sozial und ökologisch gerechten Landwirtschaft in Entwicklungsländern aktiv wahrzunehmen. Die Verbände weisen darauf hin, dass die EU sowohl mit dem hohen Import von Eiweißfuttermitteln als auch über den direkt oder indirekt subventionierten Export von verarbeiteten Erzeugnissen diesen Zielen derzeit widerspricht. Die Verbände fordern den Verzicht jeglicher direkter und indirekter Exportförderung.
Der Vorsitzende der AbL, Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, sieht nun auch die Bundesregierung gefragt. „Bisher zählen Bundeskanzlerin Merkel und Bundesministerin Aigner auf EU-Ebene zu denen, die eine wirksame ökologische Konditionierung und die Staffelung und Arbeitskraft-Anbindung der Zahlungen verhindern wollen. Sie drohen sogar mit Kürzung des EU-Etats. Wir fordern sie auf, diesen Kurs zu verlassen. Wir werden die wachsenden Herausforderungen des Klima- und Ressourcenschutzes nur meistern, wenn wir die Agrarpolitik ändern. Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. Jetzt braucht es politischen Mut, sie auch durchzusetzen“, so der AbL-Vorsitzende.
Lutz Ribbe, Naturschutzpolitischer Direktor der EuroNatur Stiftung, fordert auch die EUKommission auf, bei der Erarbeitung der Gesetzentwürfe für die Reform der EU-Agrarpolitik die Vorschläge der Plattform-Verbände zu berücksichtigen. „Im bisherigen Reformprozess hat Agrarkommissar Dacian Ciolos die Bereitschaft gezeigt, Agrarpolitik nicht als isolierte Sektorpolitik, sondern als Politik für die gesamte Gesellschaft zu gestalten und die ökologischen Erfordernisse aufzugreifen. Wir ermutigen den Kommissar, konsequent bei
dieser Linie zu bleiben. Der Bericht, den das Europäische Parlament heute abgestimmt hat, gibt der Kommission dazu den nötigen Spielraum“, kommentiert Ribbe.