Die Verbände der Agrar-Plattform (siehe Ende des Dokuments) fordern die Agrarministerinnen und -minister der Bundesländer sowie Bundesministerin Julia Klöckner dazu auf, die anstehende Reform der Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) zu nutzen, um den Umbau der Landwirtschaft hin zu mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz sowie Einkommensgerechtigkeit wirksam und zielgerichtet anzuschieben und zu begleiten. Auf der anstehenden Agrarministerkonferenz (AMK) müssen sich die Ministerinnen und Minister für einen in diesem Sinne wirksamen GAP-Strategieplan (GAP-SP) in Deutschland einsetzen.[1] Darüber hinaus ist ein klares Signal für eine auch auf europäischer Ebene ambitionierte Reform zu setzen, welche den Gemeinwohlleistungen der Bäuerinnen und Bauern adäquat Rechnung trägt. Mindestens 70 Prozent der GAP-Mittel sind für freiwillige Maßnahmen im Bereich Umwelt-, Klima- und Tierschutz vorzusehen.
Die hohe ökonomische Belastung vieler Bäuerinnen und Bauern, ein sich immer weiter verschärfendes Ordnungsrecht sowie gleichbleibend schwache Erzeugerpreise bei anhaltender Planungsunsicherheit und einer auf Export, Intensivierung und Spezialisierung ausgerichteten bisherigen Agrarpolitik, zwingt ebenso zum Umsteuern wie die Überschreitung zahlreicher ökologischer Grenzen. Internationale Vereinbarungen zum Klimaschutz (COP21), zur Biodiversität (CBD) sowie zur Reinhaltung der Luft (EU NERC-Richtlinie) und des Wassers (EU-Wasserrahmen- und Nitratrichtlinie) werden ohne eine ambitionierte Reform der GAP nicht zu erreichen sein. Zentrale politische Vorhaben auf europäischer Ebene wie der „European Green Deal“ die „Farm-to-Fork-Strategie“ und die „Biodiversitätsstrategie für 2030“ bleiben ohne eine auf sie zugeschnittene GAP wirkungslose Lippenbekenntnisse. Und auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Landwirtschaft sowie der Erhalt möglichst vieler landwirtschaftlicher Betriebe wird ohne weitreichende Veränderungen der GAP nicht zu erreichen sein.
Auch wichtige politische Prozesse und Vereinbarungen in Deutschland, wie der Ausbau des Ökolandbaus auf mindestens 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche bis zum Jahr 2030 (bzw. auf 25 Prozent laut Farm-to-Fork-Strategie), die Ackerbaustrategie 2035, die Ziele der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2030 samt der darin formulierten Reduzierung des jährlichen Stickstoffüberschusses von aktuell rund 90 kg N/Hektar auf 70 kg N/Hektar, aber auch der Umbau der Tierhaltung im Sinne der Ergebnisse des „Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung“[2] (sog. „Borchert-Kommission“) und die Erreichung der nationalen Klimaschutzziele bedürfen einer zielorientierten bedarfsgerechten Reform der GAP und eines ehrgeizigen nationalen GAP- Strategieplans.
Unstrittig ist aus Sicht der Verbände, dass die seit Jahrzehnten die GAP prägenden pauschalen Flächenprämien zur Bewältigung der sozialen, klimapolitischen und ökologischen Herausforderungen ungeeignet sind. Beispielhaft sei hier der aktuelle Sonderbericht „Biodiversität landwirtschaftlicher Nutzflächen: Der Beitrag der GAP hat den Rückgang nicht gestoppt“[3] des Europäischen Rechnungshofes genannt. Ausdrücklich begrüßen die Verbände daher das 2018 von der Europäischen Kommission für die kommende Förderperiode der GAP vorgeschlagene, innovative Instrument der Eco-Schemes in der 1. Säule. Dieses kann bei zielgerichteter Ausgestaltung und umfangreicher Anwendung den dringend notwendigen Wechsel weg von pauschalen Flächenprämien und hin zu einem Anreizsystem zur Honorierung von Gemeinwohlleistungen, einleiten. Diese Chance muss aktiv genutzt werden.
Für die Eco-Schemes ist zu Beginn der neuen Förderperiode ein Mindestbudget von anfangs 30 Prozent der Gelder der 1. Säule vorzusehen, welches anschließend jährlich deutlich ansteigt. Nur so kann der notwendige Anteil von mindestens 70 Prozent der gesamten GAP-Mittel für freiwillige Maßnahmen im Bereich Umwelt-, Klima- und Tierschutz erreicht werden. Auch das im Juli 2020 im Zuge des Beschlusses zum Mehrjährigen Finanzrahmen der EU (MFR) vom Europäischen Rat untermauerte Ziel, dass mindestens 40 Prozent der Gelder der GAP für Klimamaßnahmen zur Verfügung gestellt werden sollen[4], wird ohne umfassende und wirksame Angebote innerhalb der Eco-Schemes sowie eine gleichsam ambitionierte Erweiterte Konditionalität und 2. Säule nicht zu erreichen sein. Dieses wichtige Ziel darf zudem nicht auf dem Papier schöngerechnet, sondern muss mit nachweislich wirksamen Maßnahmen ausgefüllt werden.[5]
Zielgerichtete Eco-Schemes schaffen erstmalig die Möglichkeit, Bäuerinnen und Bauern in der 1. Säule für wirksame Maßnahmen des Umwelt-, Natur-, Klima- und Tierschutzes[6] zu entlohnen und landwirtschaftlichen Betrieben einen konkreten finanziellen Anreiz für Maßnahmen des Umwelt-, Natur-, Klima- und Tierschutzes anzubieten. Das Instrument der Eco-Schemes geht in diesem Punkt somit über die in der 2. Säule angebotene Möglichkeit der Kompensation der zusätzlichen Kosten und der entgangenen Einnahmen (Ertragsausfall) hinaus. Aus Sicht der Verbände kommt es nun darauf an, die Eco-Schemes so zu gestalten, dass die Bereitstellung von Gemeinwohlleistungen durch Bäuerinnen und Bauern zu einer gewinnwirksamen Komponente landwirtschaftlicher Betriebe wird.
Die Tatsache, dass das Instrument der Eco-Schemes in der 1. Säule angesiedelt ist, bietet die wichtige Möglichkeit, die Maßnahmen des Umwelt- und Klimaschutzes noch breiter in der Agrarfläche zu verankern und zielgerichtet wirksam werden zu lassen. Die GAP wird somit bedarfsgerechter ausgestaltet. Wie nicht zuletzt aus dem Bericht der EU-Kommission zur „Überprüfung der Umsetzung der Umweltpolitik 2019 in Deutschland“[7] hervorgeht, kann die Herausforderung einer flächendeckenden Wirkung von Umwelt- und Klimaleistungen nicht alleine der 2. Säule überlassen werden. Vielmehr braucht es, so der Bericht, „eine ökologisch ambitionierte Umsetzung der 1. Säule“.4
Auch die bundeslandspezifischen Evaluationsberichte zu den jeweiligen Schwerpunktbereichen der 2. Säule machen deutlich, dass es bislang nicht ausreichend gelingt, die gesamte landwirtschaftliche Fläche mit wirksamen Maßnahmen des Umwelt- und Klimaschutzes zu erreichen. Dies zeigt beispielsweise der Bericht „NRW-Programm Ländlicher Raum 2014 bis 2020, Schwerpunktbereich 4A-Biologische Vielfalt“[8], in welchem u.a. beschrieben wird, dass die Flächenwirksamkeit des NRW-Programmes landesweit als gering betrachtet werden muss, da mindestens 80 Prozent der Flächen nicht erreicht werden.
Um allen landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland ein passendes und gleichsam wirksames Angebot zu machen, ist es notwendig, ein breites Bündel an Maßnahmen vorzusehen, welches den Bäuerinnen und Bauern die unternehmerische Freiheit sowie Flexibilität einräumt, die jeweils für ihren landwirtschaftlichen Betrieb passenden Angebote wahrzunehmen.
Die aktuelle Einschränkung der Maßnahmen in den Überlegungen von Bund und Ländern auf die Etablierung von Blühstreifen und Brachflächen sowie wenige weitere Maßnahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) ist aus Sicht der Verbände unverständlich und wenig zielführend, da diese weit hinter der offenkundigen Notwendigkeit eines breiten Angebotes an Maßnahmen zurückbleiben. Die Verbände verweisen auf ihre Stellungnahme vom März 2019[9] und fordern die Ministerinnen und Minister in den Ländern sowie Bundesministerin Julia Klöckner auf, den Maßnahmenkatalog der Eco-Schemes innerhalb des nationalen Strategieplans, um mindestens die im Folgenden aufgeführten zu ergänzen sowie in der weiteren Ausgestaltung auch Tierschutzleistungen (nicht investiv) als förderfähig mit aufzunehmen.
Bei der konkreten Umsetzung der Eco-Schemes sind die folgenden drei Punkte besonders zu berücksichtigen.
(1) Umsetzung braucht konkreten Flächenbezug:
Zur Honorierung von Eco-Schemes haben die Plattform-Verbände die einzelflächenbezogene Förderung, Paketlösungen sowie betriebliche Bewertungsverfahren wie Gemeinwohlprämien und Punktesysteme vorgeschlagen6. Alle Systeme haben die Bindung der Honorierung einer Maßnahme an die konkrete Maßnahmen-Fläche gemein. Vorschläge zur pauschalen Honorierung aller förderfähigen Hektare des Betriebes werden ausdrücklich abgelehnt. Darüber hinaus ist das auf Ebene der EU einzuführende Mindestbudget für Eco-Schemes nicht als ein Höchstbudget pro Betrieb zu verstehen. Die Einführung einer Betriebspauschale für Eco-Schemes, die für jeden Hektar Betriebsfläche gezahlt würde, wäre genauso wenig effektiv wie das gescheiterte Greening und wird daher ebenfalls abgelehnt.
(2) Möglichkeit der mehrjährigen Maßnahmen nutzen und honorieren
Unstrittig ist: Je höher der Beitrag einer Maßnahme zur Erfüllung von Umwelt- und Klimaschutzzielen, desto höher muss auch die Prämienzahlung ausfallen. Unstrittig ist weiterhin: Insbesondere zum Schutz der Biodiversität und des Klimas haben mehrjährige Maßnahmen eine besondere Wirkung. Die Mehrjährigkeit von Maßnahmen innerhalb der Eco-Schemes in der 1. Säule steht hierbei nicht im Widerspruch zum verpflichtend jährlichen Turnus der Antragstellung und ließe sich z.B. durch das Angebot einer Bonuszahlung bei Weiterführung einer Maßnahme über ein Jahr hinaus umsetzen. Die Möglichkeit der Umsetzung von mehrjährigen Maßnahmen in den Eco-Schemes wurde auch vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mehrfach bestätigt.
(3) Die Umsetzung möglichst vieler Maßnahmen pro Betrieb attraktiv machen
Um landwirtschaftliche Betriebe besonders zu motivieren, eine hohe Anzahl sowie besonders wirksame Maßnahmen umzusetzen muss, analog zur Honorierung der Mehrjährigkeit, auch eine Bonuszahlung für die Umsetzung einer hohen Anzahl von Maßnahmen pro Betrieb eingeführt werden. Vorschläge für die konkrete Umsetzung liegen vor.
Wirksame Eco-Schemes brauchen eine insgesamt wirksame Grüne Architektur. Ziel derselben muss es sein, dem erst jüngst auch in der Studie „Biodiversität in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU nach 2020“[11] sowie in der EU-Biodiversitätsstrategie formulierten Bedarf der Schaffung oder des Erhaltens von mindestens 10 Prozent naturschutzfachlich hochwertiger Lebensräume Rechnung zu tragen sowie diesen über alle Instrumente der GAP hinweg zu gewährleisten. Auch muss sichergestellt werden, dass mindestens 40 Prozent der GAP-Mittel direkt zum Klimaschutz beitragen (s.o.). Hierzu ist es notwendig, über alle Instrumente und Maßnahmen hinweg darzulegen, ob und in welchem Umfang sie zum Klimaschutz beitragen. Schlussendlich müssen Qualität und Quantität der Umwelt- und Naturschutzleistungen der GAP in Deutschland und der EU deutlich über dem niedrigen Ambitionsniveau stehen, wie es derzeit im EU-Agrarministerrat verhandelt wird.
Das Ambitionsniveau der GAP bereits in der Konditionalität deutlich machen
Die aktuell im Entwurf der EU-Kommission vorgeschlagenen „nichtproduktiven Landschaftselemente und Bereiche“ (GLÖZ 9) im Rahmen der Konditionalität sind klar als solche umzusetzen und dürfen nicht im Sinne der bisherigen „Ökologischen Vorrangflächen“ (ÖVF) aufgeweicht werden. Zwischenfrüchte und Leguminosen sowie andere produktive Kulturen dürfen keine anerkennungsfähige Fläche innerhalb von GLÖZ 9 werden. Der Verzicht auf Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel sollte auf nichtproduktiven Flächen obligatorisch, die Möglichkeit der extensiven, naturverträglichen Beweidung hingegen gegeben sein. Der unter Federführung des BMEL entstandene, aktuelle Vorschlag der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zur „Unterstützung der GAP-Strategiepläne“[12] bleibt in Bezug auf die Ausgestaltung von „nichtproduktiven Landschaftselementen und Bereichen“ weit hinter diesen Ansprüchen zurück und muss deswegen abgelehnt bzw. angepasst werden.
Der im Vorschlag der EU-Kommission genannte Fruchtwechsel (GLÖZ 8) ist als klare Fruchtfolge mit verschiedenen Kulturen zu definieren. Auch hier sind die aktuell geltenden Vorgaben zur Anbaudiversifizierung[13] anzupassen (Hauptkultur maximal 50 Prozent der Ackerfläche im Betrieb) und um ein weiteres Fruchtfolgeglied zu erweitern. Diese Regelung schafft einen gangbaren Übergang zu dem in der Ackerbaustrategie[14] des BMEL beschriebenen Ziel, bis zum Jahr 2030 die Anzahl der Fruchtfolgeglieder je Ackerbaubetrieb auf mindestens fünf zu erhöhen.
Die 2. Säule konsequent auf Umwelt-, Klima- und Tierschutz ausrichten
Um den notwendigen Bedarf von 70 Prozent an freiwilligen Maßnahmen im Bereich Umwelt-, Klima- und Tierschutz innerhalb der GAP zu erreichen, ist das Umwelt-Ringfencing der 2. Säule so auszugestalten, dass, unter Berücksichtigung des Budgets der Eco-Schemes, 70 Prozent sicher erreicht werden. Die Ausgleichszulage zur Förderung benachteiligter Gebiete ist dem Umwelt-Ringfencing nicht zuzurechnen. Auch die der 2. Säule neu zur Verfügung stehenden Mittel aus dem Corona-Wiederaufbaufonds in Höhe von 724 Mio. Euro (8,4 Prozent der 2. Säule in Deutschland) müssen dem Umwelt-Ringfencing der 2. Säule wirksam unterzogen werden. Sie müssen darüber hinaus allen Programmen der 2. Säule zugutekommen und dürfen nicht an rein investive Maßnahmen gebunden sein. Auch ist der Anteil der 2. Säule aus dem Corona-Wiederaufbaufonds über den ganzen Zeitraum der Förderperiode zu verteilen, um die nötige Kontinuität der Zahlungen über die gesamte Förderperiode hinweg zu gewährleisten.
Da davon ausgegangen werden muss, dass es z.B. aufgrund des Ausbaus des ökologischen Landbaus und des Vertragsnaturschutzes im Laufe der kommenden Förderperiode zu einem erhöhten Mittelbedarf in der 2. Säule kommt, muss Deutschland die Möglichkeit der jährlich steigenden Umschichtung von Mitteln der 1. in die 2. Säule nutzen. Die Mittel der Eco-Schemes sind von dieser Umschichtung auszunehmen. Weiterhin sind Mittel der 1. Säule, welche aufgrund der einzuführenden Kappung oder Degression frei werden, in die 2. Säule umzuschichten.
[1] Zeitplan: Auf der anstehenden AMK wird der GAP-SP noch nicht beschlossen. Dies soll im Frühjahr 2021 geschehen.
[2] https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Nutztiere/200211-empfehlung-kompetenznetzwerk-nutztierhaltung.pdf?__blob=publicationFile&v=1
[3] https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/SR20_13/SR_Biodiversity_on_farmland_DE.pdf
[4] https://www.consilium.europa.eu/media/45136/210720-euco-final-conclusions-de.pdf (S. 42)
[5] Die EU-Kommission und auch das BMEL wollen das Ziel nur scheinbar erfüllen, indem sie behaupten, dass die (pauschalen) Direktzahlungen zu 40 Prozent Klimaschutzmaßnahmen seien.
[6] Anmerkung: Auch Tierschutzleistungen (nicht investiv) sollten förderfähig sein.
[7] https://ec.europa.eu/environment/eir/pdf/report_de_de.pdf (S. 30)
[8] https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn061180.pdf (S. 142)
[9] https://www.dnr.de/fileadmin/Positionen/1904-Plattformstellungnahme-Ecoschemes.pdf
[10] Zwischen 0,5 bis 1,4 GVE / Hektar
[11] https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/landwirtschaft/Dokumente/Broschu__re-Biodiversitaet_in_der_Gemeinsamen_Agrarpolitik__GAP__der_EU_nach_2020.pdf
[12] https://www.arc2020.eu/wp-content/uploads/2020/09/ST_10439_2020_INIT_en.pdf (S. 5)
[13] https://www.landwirtschaftskammer.de/foerderung/formulare/merkblaetter/mb-sammelantrag-2018-greening.pdf (S. 1)
[14]https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/Ackerbaustrategie.pdf?__blob=publicationFile&v=16 (S. 24)