Vorsorglich handeln und nächste Milchkrise vermeiden!

AbL Position zum Milchmarkt

Politik, MilcherzeugerInnen und Molkereien sind aufgefordert, verantwortlich und solidarisch zu agieren. Private Lagerhaltung nur mit wirksamen Anreizprogrammen der Molkereien verknüpfen. Solidaritätsfonds für Mengendrosselung einrichten.

Die Corona-Pandemie verlangt vielen Bereichen von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik massives und vorsorgliches Handeln ab, um auf bestehende und bevorstehende Ereignisse zu reagieren. Auch in der Landwirtschaft erleben wir einen Schulterschluss zwischen Stadt und Land, etwa indem viele Menschen aus der Bevölkerung ihre Bereitschaft bekunden mit anzupacken, wenn es zu Arbeitsengpässen auf den Bauernhöfen kommt. Verantwortung und Solidarität sind notwendig, um die negativen Folgen der Corona-Pandemie mit abzufangen. Das gilt auch für den Milchmarkt. Die Marktsignale deuten stark darauf hin, dass die starken Verwerfungen im Außenhandel bzw. Export und der erst vorsichtig steigende Absatz der Gastronomie den Milchmarkt voraussichtlich auch die kommenden Monate belasten werden. Saisonal legt dagegen die Milchmenge EU-weit zu. Bei Milchpulver und nun auch Butter, beides Interventionsprodukte, geben die Preise bedenklich nach.

Zu begrüßen ist, dass nun auch erste Molkereien – in Deutschland und EU-weit – reagieren und Lieferanten auffordern, die Mengen zu reduzieren. Diese Entwicklung ist bei der Milchkrise in den Jahren 2015/16 nahezu ausgeblieben und zeigt, dass die Mengenreduktion eine umsetzbare Maßnahme sein kann, um offensichtlich auch aus Molkerei-Sicht mit der anstehenden Milchkrise umzugehen. Ebenfalls auffallend ist, dass die Molkereien sehr unterschiedlich betroffen sind, nicht nur bei Massenprodukten für Exportmärkte außerhalb der EU: Die Molkerei Vorarlberg (Österreich) etwa hat akut Absatzschwierigkeiten bei der Trinkmilch und beschließt für dieses Segment eine Mengenreduktion bei ihren Mitgliedern, während die Molkerei ihre Premiummarken Heu- und Weidemilch noch gut verkauft. Die Molkerei Ammerland (Niedersachsen) ist auch im Drittland-Exportgeschäft aktiv und ruft ebenfalls ihre Lieferanten auf, die Mengen zurückzufahren. Bei anderen Molkereien wiederum laufen die Absatzmärkte sehr positiv, für sie wäre eine Mengenreduzierung sogar nachteilig, auch wenn sich das nicht immer im Auszahlungspreis an die MilcherzeugerInnen vollständig widerspiegelt. Die Corona-Pandemie trifft die Branche unterschiedlich.

Um diesen differenzierten Begebenheiten Rechnung zu tragen und vorsorglich den Milchmarkt vor der nächsten Krise zu schützen, fordert die AbL die LandwirtschaftsministerInnen vor der kommenden Bund-Länder Agrarministerkonferenz in Saarbrücken auf, sich für folgende Handlungsvorschläge stark zu machen:

  • Freiwilliger Lieferverzicht auf EU-Ebene verbunden mit einem finanziellen Ausgleich. Freiwillig, damit die individuellen Gegebenheiten auf den Milchviehbetrieben berücksichtigt werden können. Während es einem Teil der Betriebe zum Zeitpunkt einer Marktkrise relativ leicht fallen kann, die Milchmenge zu drosseln (Rücknahme intensiverer Fütterung, Ausweitung Trockenstehperiode), sind andere beispielsweise durch eine extensivere Wirtschaftsweise oder eine starke Saisonalität ihres Betriebssystems (z.B. Weidehaltung, saisonale Kalbungen) weniger flexibel. Siehe auch Stellungnahme der AbL von März 2020.

  • Private Lagerhaltung nur mit einem verbindlichen Anreizsystem für Molkereien. Die AbL lehnt die subventionierte Lagerhaltung als Instrument im Grundsatz ab, da diese eingelagerten Mengen eine zügige Markterholung verhindern und mittelfristig durch wachsende Lagerhaltungsbestände weitere Preisabstürze vorprogrammiert sind. Zielführender ist es, Milchüberschüsse gar nicht erst zu produzieren. Wenn aber die Private Lagerhaltung von der Politik aktiviert wird, dann müssen diejenigen Molkereien, die diese in Anspruch nehmen, verpflichtet werden, in ihrer Lieferkette die Milchmenge der ErzeugerInnen aktiv zu drosseln durch Anreizprogramme, Bonus-Malus-Systeme u.a..

  • Solidaritätsfonds für Mengendrosselung einrichten. Zur Finanzierung der Mengendisziplin – in Frankreich erhalten Milcherzeuger aktuell 32 Cent für jeden Liter nicht gelieferte Milch – ist EU-weit ein Solidaritätsfonds einzurichten, in den die Molkereien solidarisch einzahlen. Die Mittel sind zweckgebunden und ausschließlich für die Honorierung von Mengendisziplin auf den Bauernhöfen einzusetzen. Die Corona-Pandemie zeigt, es kann jede Molkerei treffen, unabhängig von der Ausrichtung. Deshalb braucht es die Verantwortung und Solidarität unter den Marktpartnern. Molkereien, die in Schwierigkeiten sind, können aus dem Solidaritätsfonds ihre Bäuerinnen und Bauern bei Maßnahmen zur Mengenreduktion entsprechend finanziell entschädigen. Um die Finanzierung einer EU-weiten Mengendrosselung auch in Zukunft sicherzustellen, ist dieser Fonds zunächst unbefristet einzurichten und ergänzt ein starkes Kriseninstrument in der Marktordnung der EU-Agrarpolitik, um Marktkrisen bei Bedarf vorsorglich und verantwortungsbewusst abzuwenden.

Verantwortung und Solidarität erfordern aktives Handeln und die Bereitschaft, zum Wohle der bäuerlichen Milcherzeugung in Europa und im Interesse der gesamten Branche sowie gesellschaftlicher Anforderungen neue Wege zu gehen. Für eine befristete Zeit, zur Vermeidung sonst noch lange andauernder Strukturbrüche.