Zukunft der Landwirtschaft

Der Corona-Shutdown mit Versammlungsverbot und Ladenschließungen hat das öffentliche Leben zum Erliegen gebracht. Betroffen davon sind auch tausende Bauern, die im vergangenen Herbst begannen, auf der Straße für mehr Anerkennung des Berufsstandes zu protestieren. Betroffen sind auch die vielen Initiativen, die sich rund um das Bündnis Meine Landwirtschaft für eine langfristige Transformation der Landwirtschaft in Deutschland und Europa einsetzten. Auch politisch scheint das Thema Landwirtschaft, abgesehen von der Diskussion um Bedarf und Arbeitsbedingungen bei Erntehelfern, derzeit wenig Beachtung zu finden. Dabei stehen ganz aktuell mit den Ergebnissen der Borchert-Kommission und der Absicht der Bundesregierung, eine Zukunftskommission Landwirtschaft zu gründen, zwei wichtige Schritte an. „Ich bin gespannt, ob es diesmal gelingt, das kurze Zeitfenster zu nutzen, um die Ergebnisse der Borchert-Kommission in verbindliche Regelungen umzusetzen“, merkt Martin Hofstetter von Greenpeace kritisch an. In den vergangenen Jahren hatte es mit dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats und dem Tierschutzplan des NRW-Agrarministers Gerd Lindemann immer wieder konkrete Forderungen zum Umbau der Tierhaltung sowie zu den dafür notwendigen finanziellen Mitteln gegeben, die allerdings vom zuständigen Bundesministerium nie konkretisiert wurden. „Der Ansatz der Borchert-Kommission, den Umbau über eine zweckgebundene Verbrauchssteuer auf tierische Produkte zu finanzieren, zeigt gerade in der aktuellen Situation ihre Vorzüge. Gegenüber einer Finanzierung aus dem bestehenden Haushalt oder einer Mehrwertsteuererhöhung wäre das Geld relativ sicher“, so Hofstetter mit Blick auf die massiv angewachsenen Staatsausgaben in der Folge der Corona-Krise. Zukunftskommission Mit Blick auf die von der Bundeskanzlerin bei einem Verbändetreffen im Dezember angestoßene Zukunftskommission Landwirtschaft hat Hofstetter klare Forderungen. „Eine derartige Kommission muss eine klar formulierte Zielsetzung haben.“ In einem gemeinsamen Papier haben der Deutsche Naturschutzring, BUND, Greenpeace, NABU und der WWF ihre diesbezüglichen Anforderungen zusammengefasst und fordern diese mit folgendem Mandat auszustatten: „Ziel der Kommission muss es sein, konkrete Schritte und Maßnahmen für eine nachhaltige, naturverträgliche Landwirtschaft aufzuzeigen. Deutschland muss sich zu einer Landwirtschaft bekennen, die bäuerlich-ökologische Strukturen erhält, einen lebenswerten ländlichen Raum mit vielfältigen, artenreichen Kulturlandschaftsökosystemen verbindet und eine tiergerechte, flächengebundene Nutztierhaltung zum Standard macht. Die Landwirtschaft muss dabei einen substanziellen Beitrag zum Klima und Biodiversitätsschutz leisten.“ Neben einem Umbau der Tierhaltung werden die Umgestaltung des Ackerbaus und die Weiterentwicklung zu einer klimaresilienten, kohlenstoffbindenden Bewirtschaftung angeführt. Des Weiteren wird eine Abkehr von einer industrialisierten, weltmarktorientierten, hin zu einer auf regionale Erzeugung und Vermarktung ausgerichteten Wirtschaftsweise gefordert. Für alle diese Umbauschritte sei der konkrete finanzielle Bedarf festzulegen. Neben den Mitteln der Gemeinsamen Agrarpolitik kämen auch öffentliche Gelder sowie Instrumente in Frage, die den Lebensmitteleinzelhandel stärker in die Pflicht nähmen. Weniger Tiere „In den Intensivregionen“, so ist sich Hofstetter schon jetzt sicher, „ist das quantitative Wachstum an seine Grenzen gestoßen. Dort wird sich die Tierhaltung in Zukunft erheblich verändern. Das Angebot der Borchert-Kommission, im Gegenzug zu höheren Tierstandards und mehr Platzangebot Geld zu zahlen, führt bei gleichen Ställen zu geringeren Belegungszahlen. Statt 2.000 Schweinen sind es dann nur noch 1.800 oder 1.500, aber mit einem höheren Gewinn pro Stallplatz.“ Am Ende muss aber das gesamte System umgebaut werden: „Worauf beruht denn bisher unser günstiges Lebensmittelangebot? Auf der Ausbeutung von Tieren, Umwelt und Menschen. Die Bauern standen dabei bisher vor der Situation, entweder mitmachen oder man ist raus. Nun aber wendet sich das Blatt: Herkunft, Regionalität, kurze Lieferketten und die Einhaltung besserer Standards werden hierzulande immer wichtiger. Wer nur auf Masse und Billigerzeugung für Drittmärkte setzt, hat ein immer größeres Risiko, ob diese nicht morgen schon von anderen beliefert werden.“ Wenn die Zukunftskommission erfolgreich sein solle, brauche man möglichst konkrete Ziele, wie beispielsweise die Frage nach dem Ende des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln. Die Sensibilität der Bevölkerung für den Wasserschutz und das Klima wird auch zukünftig hoch bleiben, so Hofstetter und somit auch der Druck auf die Betriebe, ihre Wirtschaftsweisen zu hinterfragen.
05.05.2020
Von: mn

Martin Hofstetter, Greenpeace