EU-Kommission: Kleines Mengenplus zieht Preis nach unten

Schaps rät Bauern zur Bündelung, um Menge und Preis zu verhandeln. Guhl kritisiert Ausnahmen für Genossenschaften. Ilchmann fordert von Molkereien schnelle Anreize. Futterverwertung, Heumilch, A2-Milch und Qualitätssicherung weitere Themen

„Schon kleine Mengenveränderungen können zu großen Preisschwankungen führen“, stellte Jens Schpas, Direktor für Märkte und Marktanalysen bei der EU-Kommission, am Montag auf der Milchtagung von Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Katholischer Landjungendbewegung (KLJB) und Uni Kassel in Warburg-Hardehausen fest. Nach einem Jahr 2017 mit auskömmlichen Preisen und einer wieder zunehmenden Milchmenge rechnet die EU-Kommission für 2018 mit einem Mengenzuwachs von EU-weit 1,4 Prozent. Aktuell seien daher weiter sinkende Preise zu erwarten. „Es hängt jetzt ganz davon ab, wie sich die Menge entwickelt“, sagte Schaps. Er rechnet aber nicht mit einer Dramatik wie im Jahr 2016. 

Der langjährige Kommissionsexperte riet den Bäuerinnen und Bauern, ihr Angebot viel stärker als bisher in Erzeugerorganisationen zu bündeln, um mit den Molkereien über Mengen, Preise und Qualitäten zu verhandeln. Die EU habe die Rechte hierfür zum Jahresbeginn nochmals erweitert. Die im Krisenjahr 2016 einmalig gezahlten Anreize zur freiwilligen Mengenreduzierung bezeichnete Schaps als „zielführender als das, was es vorher gab“. Es bleibe aber schwierig zu vermitteln, für ein Nichterzeugen Geld zu geben. Es gebe andere Maßnahmen. Schaps wies auf positive Erfahrungen im Bereich von Obst und Gemüse hin. Hier unterstützt die EU anerkannte Erzeugerorganisationen unter bestimmten Bedingungen auch für die Produktionsplanung und Lagerhaltung.

Auch Peter Guhl, Vorsitzender der bundesweiten Milcherzeugergemeinschaft MEG Milch Board, hält die Bündelung der Milcherzeuger für notwendig. Allerdings behindere die EU die Bemühungen dazu bisher durch Ausnahmen für Molkerei-Genossenschaften. Guhl forderte, auch Genossenschaftsmitgliedern ein vollständiges Recht auf unabhängige Bündelung und auf einen schriftlichen Liefertrag zu geben. Guhl sprach sich zudem für die Einführung einer flächendeckenden Pflicht zum Abschluss von Lieferverträgen aus, in denen jährlich vor der Lieferung Menge und Preis festgelegt werde. Hier sei auch die Bundesregierung gefordert.

Erst durch eine starke Bündelung der Milcherzeuger und die generelle Pflicht zum Verhandeln könne ein Wettbewerb unter den Molkereien um die Rohmilch entstehen, erklärte Guhl. Heute variiere die Wertschöpfung aus der Milch unter den Molkereien erheblich, aber der Auszahlungspreis unterscheide sich kaum, wie Guhl anhand von Studienergebnisse zeigte. Die Folge sei nicht nur eine zum Teil mangelhafte Verwertung. Es fehle den Molkereien auch der Anreiz, bei unzureichenden Absatzmöglichkeiten den Milcherzeugern das Signal zur Mengenzurückhaltung zu geben.

Ottmar Ilchmann, Milchsprecher der AbL, forderte die deutschen Molkereien auf, jetzt schnell solche mengenreduzierenden Anreize zu geben, wie sie die große niederländische Molkereigenossenschaft Friesland/Camlina eingeführt habe. „Die aktuellen Preissenkungen unserer Molkereien von monatlich bis zu über 4 Cent je Liter treffen die Betriebe hart, denn sie haben noch mit den Folgen der letzten Krise zu kämpfen“, mahnte Ilchmann. Die Milchviehbetriebe seien sehr wohl in der Lage, kurzfristig die Menge zurückzunehmen. Das würden sie aber erst umsetzen, wenn das ein großer Teil der Kollegen ebenso handhabe. Dazu brauche es jetzt die Anreize der Molkereien.

Mittelfristig forderte Ilchmann politische Instrumente zur Vermeidung preisdrückender Überschüssen, wie sie die EU 2016 zur freiwilligen Mengenreduzierung genutzt habe. Ein ausgeglichener Milchmarkt sei ein wichtiger Beitrag für eine tier- und umweltgerechte sowie menschenwürdige Milcherzeugung. Umgekehrt könne eine solche Milcherzeugung auch dazu beitragen, Mengen- und Preisschwankungen zu vermeiden. Als Beispiel dafür nannte er die Weidemilcherzeugung.

Prof. Dr. Onno Poppinga stellte Ergebnisse einer Untersuchung zur Wirtschaftlichkeit einer kraftfutterarmen Milcherzeugung in 52 untersuchten Biobetrieben vor. Im Jahr 2015/2016 wiesen diese Betriebe ein um knapp 3.000 Euro höheres Einkommen je Arbeitskraft auf als der Durchschnitt der Betriebe des Bundes-Testbetriebsnetzes. Poppinga zitierte auch mehrere Studien aus dem Großprojekt „Opti-Kuh“ unter der Leitung des bundeseigenen Thünen-Instituts. Demnach habe der Einsatz von einem Kilogramm Kraftfutter nur eine Mehrleistung von maximal 0,65 kg Milch ergeben. „Seit Jahrzehnten wird in der Ausbildung allen Landwirten beigebracht, ein Kilogramm Kraftfutter bringe zwei Liter Milch. Das hat noch nie gestimmt“, resümiert Poppinga. Weitere Daten deuteten darauf hin, dass sich die Energieeffizienz des eingesetzten Futters durch die auf deutlich höhere Milchleistung ausgerichtete Zucht in den letzten 30 Jahren nicht erhöht habe.

Petra Müller stellte auf der Tagung die Heumilch-Vermarktung der „Demeter Milch-Bauern Süd“ aus Baden-Württemberg vor. Die Gemeinschaft wurde 2013 als wirtschaftlicher Verein gegründet und erfasst und vermarktet heute zusammen rund fünf Millionen Liter Milch von 26 Betrieben. Das Besondere sei, dass im Stall keine Silage, sondern Heu gefüttert werde. Die Gemeinschaft betreibe keine eigene Molkerei, sondern lasse den Großteil der Molkereien im Lohn zu Trinkmilch und Joghurt verarbeiten und abfüllen, die an verschiedene Handelsunternehmen abgesetzt würden. Ein kleinerer Teil der Milch werde vor allen an kleinere Käsereien und Molkereien direkt als Rohmilch verkauft. Wie Müller berichtete, sei die Milchleistung aufgrund der gras- und heubetonten Fütterung niedriger, aber das werde durch eine gute Tiergesundheit und einen höheren Erzeugerpreis ausgeglichen. „Wir sind wirklich froh, dass wir in die Heumilch eingestiegen sind“, so Müller.

Der Milchviehhalter und Wissenschaftler Dr. Peter Hamel aus dem hessischen Vogelsberg referierte über die Umstellung seiner Herde in einen reinerbigen A2-Milchviehbestand. Die so genannte A2-Milch unterscheide sich von der A1-Milch durch eine andere Aminosäuren-Zusammensetzung im Beta-Casein der Milch, die vererbt werde. Früher hätten alle Rinderrassen A2-Milch gegeben, A1-Milch sei durch eine Mutation vor etwa 7.000 Jahren entstanden. Der Konsum von A2-Milch scheine für empfindliche Personen mit einer Milchunverträglichkeit bekömmlicher zu sein, so Hamel. Daher bilde sich mittlerweile ein eigener Markt für diese Milch heraus. In Australien und Neuseeland werde zunehmend auf A2-Milch gezüchtet, und auch in Deutschland untersuchten mittlerweile die ersten Besamungsstationen die Bullen und gäben die Ergebnisse bekannt.

Im letzten Vortrag der Milchtagung gab der Sachverständige Bernd Scheibel praktische Tipps, um das Entstehen unerwünschter freier Fettsäuren beim Melkvorgang, in den Leitungen und bei der Kühlung im landwirtschaftlichen Betrieb zu vermeiden.

06.03.2018
Von: Pressemeldung

Milchtagung Hardehausen 2018. V.l.n.r.: Josef Jacobi, Onno Poppinga, Peter Hamel, Jens Schaps, Petra Müller, Peter Guhl, Ottmar Ilchmann. Foto: AbL